Erste Hilfe beim Saxophonkauf

  Leute, die sich ein Saxophon kaufen wollen, haben es leicht - zumindest im Vergleich mit Klarinettenkäufern. Sie brauchen sich nicht zwischen deutschem- und Böhm-System und zwischen 17, 20, 22 oder 24 Klappen zu entscheiden (klingt ein bisschen nach Skat, oder?). Beim Saxophon hat sich, was Anzahl und Anordnung der Klappen angeht, seit den glorreichen Tagen, als der französische Saxophonhersteller Selmer das Modell MK VI herausbrachte, (das war 1954!) außer Details nichts mehr geändert. Natürlich hat es Jahre bis Jahrzehnte gedauert, bis alle Konkurrenzfirmen die Verbesserungen übernommen hatten, heute jedoch sehen alle Saxophone von der Mechanik her mehr oder weniger gleich aus.

Natürlich gibt es kleine Unterschiede in der Klappenlage, die die Ergonomie, das heißt die bequeme Spielbarkeit des Instruments deutlich beeinflussen können, dazu kommen Unterschiede in der Verarbeitungsqualität und - natürlich - im Klang. Die Entwicklung ging in den letzten Jahrzehnten immer mehr zum leicht spielbaren, klanglich geglätteten Allroundsax, wobei der individuelle, charakteristische Klang oft auf der Strecke blieb. Nachdem sich die Selmer-Saxophonmodelle aus den fünfziger und sechziger Jahren vor allen bei Jazzmusikern immer schon großer Beliebtheit erfreuen, erleben seit den Neunzigern die großen alten amerikanischen Marken wie King, Conn, Buescher und Martin eine Renaissance.

Auch einige französische Marken wie Buffet-Crampon, Dolnet oder SML, die immer im Schatten der berühmten Selmer-Instrumente standen, werden wieder geschätzt, ebenso die deutschen Hersteller Kohlert, Hohner und die alten Modelle der heute noch existierenden Firma Julius Keilwerth. Um diese "Vintage"-Saxophone (Vintage steht im Englischen für einen alten Weinjahrgang, Vintage-Cars sind Auto-Oldtimer) hat sich inzwischen ein regelrechter Kult entwickelt, der die Preise für manche Modelle stark in die Höhe getrieben hat. Oft sind klanglich sehr gute Instrumente aber noch zu günstigen Preisen zu haben, vor allem im Vergleich mit neuen Profiinstrumenten.

Wer sich ein Saxophon kauft, muss sich also entscheiden, was er will : Ein Schüler- bzw. Amateursaxophon, ein professionelles Instrument oder etwas aus der Vintage-Richtung. Dabei gibt es zwischen diesen drei Extremen auch fließende Übergänge. Die folgende Liste gibt eine kurze Charakterisierung der bekanntesten Saxophonmarken und Typen. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine persönliche Beratung nicht ersetzen.
Die Franzosen
  Selmer
Der prestigeträchtigste Name unter den Saxophonherstellern. Ursprünglich Klarinettenbauer übernahm Selmer 1921 die Firma des Saxophonerfinders Adolphe Sax. Bekannte Modelle waren das Balanced Action (1936) und Mk.VI (1954), letzteres zweifellos das berühmteste Saxophon aller Zeiten. Das Nachfolgemodell Mk.VII (1970) war vom Klang her für den Jazzrock- Fusionsound der 70'er gedacht, wurde aber eher als Rückschritt betrachtet, auch wegen zunehmender Verarbeitungsmängel.
Die Modelle Super Action 80 I und II und III machten den schlechten Eindruck, den das Mk.VII hinterlassen hatte, teilweise wieder wett, stehen aber bis heute im Schatten des Mk.VI. So brachte Selmer 2003 die Reference Serie als Wiederauflage der alten Modelle heraus. Vor allem die Tenormodelle Reference 36 (Balanced Action) und 54 (Mk.VI) kommen dem Klang der Originale ziemlich nahe. Gemeinsam ist allen Selmer-Saxophonen ein typischer, aber schwer zu beschreibender strahlender Klang, wobei die besten Instrumente gleichzeitig eine große Wärme und eine sehr direkte Ansprache besitzen. Allerdings streuen die Instrumente (alte genauso wie heutige Modelle) zum Teil deutlich in Klang und Verarbeitung. Nicht zu verwechseln mit der Firma Selmer USA (siehe Buescher!).
  Buffet-Crampon
Einer der ältesten noch existierenden französischen Firmen für Holzblasinstrumente, vor allem Berühmt für seine Klarinetten (Buffet hat zusammen mit dem Klarinettisten Klose 1839 das Böhmsystem für Klarinette entwickelt). Saxophone baut Buffet-Crampon schon seit den 60'er Jahren des 19. Jahrhunderts, berühmt geworden sind aber vor allem die Modelle Dynaction bzw. Super Dynaction (ca. 1950-1975), sowie die S-Serie (ab 1975) mit einer ergonomisch stark verbesserten Mechanik, heute sicher das meistgesuchte Buffet-Crampon-Saxophon, vor allem in der Ausführung mit Kupferkorpus (Modell Prestige). Die Instrumente haben einen sehr feinen und zentrierten Ton und gelten mit als die "klassischsten" aller je gebauten Saxophone. Nach dem Zusammenschluss mit Keilwerth in den 80'ern wurde die Saxophonproduktion eingestellt und es wurden Keilwerth-Instrumente unter dem Namen Buffet-Crampon weiterverkauft. Auch heute nach der Trennung von Keilwerth gibt es noch Buffet-Crampon-Saxophone, die allem Anschein nach aus Taiwan stammen dürften. Die Firma Evette&Schaeffer wurde von Buffet aufgekauft. In den 80'er und 90'er Jahren wurden unter der Bezeichnung Buffet-Crampon Evette Schülerinstrumente von Jupiter verkauft.

Weitere gute französische Hersteller waren Dolnet, SML, Leblanc, Evette&Schaeffer sowie Pierret.
Die Amerikaner
  Conn
Lange Zeit der größte amerikanische Blasinstrumentenhersteller und der erste, der Saxophone baute. Conn verwendete ab 1917 als erster Saxophonbauer gebördelte Tonlöcher (rolled toneholes).
Berühmte Modelle:
New Wonder, Big Bore, Chu Berry : Die berühmtesten Saxophonmodelle der 20'er Jahre mit zum Teil sehr mächtigem Ton. Die Artist Serie (Alt 6m, Tenor 10m, Bariton 16m, ab 1935), Spitzname "Ladyface" nach der Gravur, die einen Frauenkopf zeigte (gab es auch schon bei früheren Modellen). Mechanisch gegenüber den Vorgängermodellen verbessert und klanglich sehr gut. Ab Ende der 40'er Jahre lässt die Verarbeitung immer mehr nach. Heute nur noch Schülerinstrumente in zweifelhafter Qualität.
  Buescher
Die Firma wurde 1884 von F. A. Buescher, einem ehemaligen Conn-Mitarbeiter gegründet.
Berühmte Modelle:
Truetone: Dieser Name bezeichnet alle Buescher Saxophone von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis 1930 . Die Ausführungen in den Zwanzigern besitzen einen enorm zentrierten, aber trotzdem kräftigen Ton. Sie werden von den amerikanischen Klassiksaxophonisten der Rauscher-Schule bis heute gespielt, eignen sich aber auch gut für Jazz.
Aristocrat/Bigbore (ab Anfang der 30'er): Modernere Mechanik als Truetone, noch weicher im Klang bei unglaublich leichter Ansprache.
Serie 400 (Gravur "Hut und Stock"): Luxusmodell mit sehr großem Schallbecher. Enorm kräftiger und voller Ton. Macht dem Super 20 (siehe King) Konkurrenz. Buescher wurde 1964 von Selmer aufgekauft, vereinfachte Aristocrat Modelle unter der Bezeichnung Selmer Bundy weitergebaut. Ab Modell Bundy II bis heute nur noch Schülerinstrumente.
  Martin
Die Firma wurde 1904 von John Henry (Johann Heinrich) Martin in Elkhart gegründet. Von Anfang an wurden neben Trompeten und Posaunen auch Saxophone gebaut. Die Besonderheit bei Martin Saxophonen sind die aufgelöteten Tonlöcher aus besonders dickem Messingmaterial, die einen vollen "dicken", samtigen Ton ergeben. Die Mechanik ist bei den besten Modellen sehr ergonomisch und angenehm zu greifen.
Berühmte Modelle: Handcraft, Committee I und II.
  King (H. N. White)
Henderson N. White begann um die Jahrhundertwende in Cleveland Posaunen und Trompeten zu bauen. Der Name "King" stammte von dem damals bekannten Posaunisten Thomas King, der an Entwicklung und dem Verkauf der neuen Instrumente maßgeblich beteiligt war. Ab 1916 wurden auch Saxophone gebaut. Für die teuren Instrumente verwendete King ähnlich wie Martin aufgelötete Tonlochkamine.
Berühmte Modelle:
Zephyr : Die Modelle ab Seriennummer 237000. Sehr voller Klang, ähnlich wie die Super 20.
Zephyr Special : Ein Zephyr mit Massivsilberbogen und luxuriöser Ausstattung (mehr Perlmutt, Spezialgravur)
Super 20 : Nachfolger des Special mit verbessertem Silberbogen und (bei den späteren Modellen) verbesserter Mechanik, auch als Silversonic mit Massiv-Silberbecher erhältlich.
Special und Super 20 haben einen unglaublich vollen und satten Ton, weich, aber gleichzeitig mit enorm viel Biss. Im Moment sicher die begehrtesten amerikanischen Saxophone. Ab Seriennummer 426000 (1965) wechselt die Produktionsstätte von Cleveland nach Eastlake. Damit lässt auch die Qualität der Instrumente stark nach.
Deutschland
  Julius Keilwerth
Die bekannteste (und einzige noch produzierende) deutsche Saxophonbaufirma wurde in Kraslice (Graslitz) in der heutigen tschechischen Republik gegründet (siehe auch Amati). Nach dem 2. Weltkrieg gründete Keilwerth im hessischen Nauheim einen neuen Betrieb, der sich bald zum Marktführer in Deutschland entwickelte.
Berühmte Modelle:
The New King/Toneking: Die Keilwerth Klassiker in der Nachkriegsausführung mit gebördelten Tonlöchern, dem typischen J-förmigen Plexiglasklappenschutz (dem diese Modelle den Spitznamen "Engelsflügel" verdanken) und einer für die damalige Zeit sehr modernen und griffgünstig liegenden Mechanik. Bis Anfang der 60'er gebaut.
Modell Peter Ponzol: 1986 aus der Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten Peter Ponzol entstanden, ebenfalls mit gebördelten Tonlöchern und einer stark verbesserten Mechanik. Wird bis heute ohne große Veränderung unter der Bezeichnung SX90 R weitergebaut.
Alle Keilwerth Saxophone haben einen voluminösen, kräftigen Ton, die Ausführungen mit gebördelten Tonlöchern haben deutlich mehr Biss. Nicht so elegant im Ton wie Selmer, eher robust, typische Rhythm&Blues-Hörner, vor allem die Tenöre und Baritone. Das vor einigen Jahren herausgekommene SX90R mit Neusilberkorpus ist wohl im Moment das lauteste Tenor auf dem Markt.
  Kohlert
Der zweite große deutsche Saxophonbauer war wie Keilwerth vor dem Krieg im tschechischen Kraslice ansässig, auch hier erfolgte nach dem Krieg der Umzug in die BRD(nach Winnenden bei Stuttgart). In den 60'er Jahren lässt die Qualität nach und Ende der 70'er muss die Fabrik die Tore schließen. Das Spitzenmodell Regent ist, sowohl in der Vorkriegs- als auch in der Nachkriegsausführung ein klanglich sehr schönes Saxophon, ähnlich wie Keilwerth mit gebördelten Tonlöcher und einem vollen und warmen Sound.
  Hohner
Der für Mundharmonikas und Akkordeons bekannte Trossinger Hersteller baute in den 50'er und 60'er Jahren ebenfalls Saxophone. Verantwortlich für diese Produktion war Max Keilwerth, der Bruder von Julius. Unter der Typenbezeichnung "President" entstanden Instrumente, die den Keilwerth- und Kohlert-Modellen im Klang ähnelten.
  B&S (Weltklang)
Nach dem Krieg in der DDR als VEB Blas-& Signalinstrumentenbau Markneukirchen entstanden. Es wurden Vorkriegsmodelle weitergebaut, in den Anfangsjahren in aufwändigen Ausführungen mit gebördelten Tonlöchern und viel Perlmutt, später dann zunehmend vereinfacht. Nach der Wiedervereinigung wurden die B&S Modelle überarbeitet und weiterproduziert (Modelle 1000 und 2000). Trotz guter Qualität konnten sich die Instrumente aber nicht durchsetzen und die Produktion wurde 2002 gestoppt. Heute baut B&S nur noch Blechblasinstrumente.
Tschechische Republik
  Amati
Tschechischer Staatsbetrieb, in dem nach dem Krieg sämtliche enteigneten Blasinstrumenten- Hersteller in Kraslice zusammengefasst wurden. Dabei wurden die Saxophonmodelle der Firma Keilwerth übernommen und (anfangs in erstaunlicher Qualität) weitergebaut. Später nur noch vereinfachte, aber sehr ordentliche Schülerinstrumente. Amati baut bis heute Saxophone.
Italien
  Borgani
Der interessanteste italienische Hersteller. Klanglich sehr interessante Saxophone in guter Verarbeitungsqualität.
  Rampone&Cazzani
Bekannt vor allem für das halb gebogene Sopransaxmodell im Stil des alten King Saxello.
Japan
  Yamaha
Heute der weltweit bekannteste Name bei Schüler- bzw. Amateurinstrumenten. Ab den 70ern auf dem deutschen Markt. Die Modelle 21,23,25,32 und das aktuelle 275 zählen zu den beliebten Schülerinstrumenten.
Yamaha-Saxophone besitzen eine sehr leichte Ansprache, gute Stimmung, Ergonomie und Verarbeitung (bei den älteren Modellen deutlich besser), sind im Ton aber etwas dünn und unpersönlich. Das Modell 62 ist ein unproblematisches Mittelklasseinstrument mit sehr guter Verarbeitung, die Custom-Serie sollte Selmer Konkurrenz machen, konnte sich bis jetzt aber noch nicht richtig durchsetzen. Die Sopransaxophone von Yamaha gelten als sehr gut.
  Yanagisawa
Der zweite japanische Hersteller ist im Gegensatz zu Yamaha auf Saxophone spezialisiert. Seit dem 80'ern auf dem deutschen Markt (Serien 500, 800, 900, aktuell 901). Gut bis sehr gut verarbeitet, mit moderner Mechanik und einem sehr warmen, ausgeglichenen Ton heute das beliebteste Mittelklasseinstrument. Die Topserie (Elimona, 880, 990, 991) liegt auf Selmer-Niveau, wer möchte, bekommt (für sehr viel Geld) auch Instrumente mit Massiv-Bronze oder Silberrohr. Yanagisawa Sopransaxophone gehören mit zu den besten, die je gebaut wurden.
Taiwan und VR China
  Jupiter
Der erste taiwanesische Hersteller, der qualitätsmäßig Anschluss an die europäische und japanische Konkurrenz schaffte. Seit den 80'ern wurden die Modelle 767 und 769 zunehmend beliebter und stehen heute an zweiter Stelle nach dem Marktführer Yamaha.
Ergonomie und Verarbeitung sind auf Yamaha-Niveau, der Klang sogar etwas voller und runder.
Vorsicht : Die seit einigen Jahren gebaute Serie 569 wird als Jupiter-Billigmodell in der VR China hergestellt. Vor allem die Verarbeitungsqualität liegt deutlich unter dem 769.
  Cannonball, Mauriat, Trevor James
Drei der besten Beispiele für den Trend, dass in Europa bzw. den USA sitzende Firmen die Entwicklungsarbeit übernehmen und die Instrumente dann meist in Taiwan bauen lassen. Mauriat orientiert sich dabei am großen Vorbild Selmer, während Trevor James und vor allem Cannonball eher der amerikanischen Schule angehören. Trotz gewisser Kinderkrankheiten sind das zweifellos interessante Instrumente, die noch ein großes Entwicklungspotential besitzen.
  Expression, Roy Benson, Dixon, Boston, Chateau, Grand Prix, Power Beat, Nova, Antigua Winds, Karl Glaser, Steinbach, Thomann, Roland Meinl, Bachmann, Challenge, Dimavery, Le Marquis, J. Michael, Klinger, Palatino etc. etc.
Das ist nur eine kleine Auswahl weiterer "Marken" aus Taiwan und der VR China. Bei Ebay und anderen einschlägigen Internetanbietern kann man problemlos jede Woche neue Markennamen entdecken. Die Qualität ist sehr unterschiedlich von ordentlich (z.B. Expression) bis zu sehr schlecht. Viele kleine Produzenten bauen bis heute mehr oder weniger planlos Teile von unterschiedlichen Zulieferern zusammen und verramschen die Instrumente dann. Jeder europäische oder amerikanische Händler kann bei Abnahme einer bestimmten Mindestmenge einen Markennamen seiner Wahl eingravieren lassen. Sicher wird auch in diesem Bereich die Qualität besser werden. Vorläufig sollte man aber gerade hier kein Instrument ungeprüft kaufen, wenn man keine unliebsamen Überraschungen erleben will.
Alles klar?
  Ich möchte am Schluss nochmals betonen, dass diese Liste nur einen groben Überblick über die wichtigsten Saxophonhersteller geben kann. Sammler und Saxophonbegeisterte mögen mir die eine oder andere Ungenauigkeit oder Vereinfachung verzeihen. Schließlich sollte das Ganze auch für einen Saxophonanfänger verständlich sein.

Wer nach der Lektüre Fragen hat, ist herzlich eingeladen, diese auch zu stellen (telefonisch oder per E-mail). Ansonsten verweise ich für weitergehende Recherchen auf das Internet, insbesondere auf die sehr umfassende Website www.saxpics.com (in Englisch), die auch ich öfter als "Nachschlagewerk in Sachen Saxophon" benütze.